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Spontangärung

Weingenuss spielt sich zu großen Teilen in einem gutbürgerlichen Milieu ab. Hier sind die Grundbedürfnisse gestillt und man hat den „Luxus“ sich mit moralischen Fragen von Lebensmitteln zu beschäftigen, was hier nicht despektierlich gemeint sein soll. Nein. Im Gegenteil: Es ist gut, wenn sich (erfolgreiche) Menschen Gedanken darüber machen, wie es auch in Zukunft gut weitergehen kann. Denn Probleme für die Menschheit gibt es genug.

Und Weintrinker sind nicht selten wissend. Und so ist ihnen bekannt, dass es bei der Weinherstellung eine Reihe von Hilfsmitteln gibt, um ein Ergebnis zu erzielen, welches den Gaumen des Genießers wohl-gefällt.

Und sie sind vielleicht sogar gelangweilt: über den uniformen Geschmack, der mit Hilfe dieser Kellertechniken erzielt wird. Das, was sie vor einigen Jahren noch begeistert als „fruchtig“ als ultimativen Unterschied zwischen belanglosen Kaufhausweinen zu Qualitätsweinen von ihren persönlichen Winzern wahrgenommen haben, empfinden sie heute als zu beliebig.

Nun, ich zähle mich selbst zu den Einwohnern dieser „Landschaft“, obwohl ich weit von der Oberschicht in Deutschland entfernt bin. Da sieht man wieder mal, wie gut das Gesamt-Niveau deutscher Wirklichkeit immer noch ist.

Da ich mich aber vornehmlich als Wein-Genießer verstehe, stehe ich am Ende dieser Entwicklung. Sprich: ich probiere Weine und stelle fest: es gibt Weine, die nach klassischen Methoden (wobei der Begriff „klassisch“ im Verlauf dieses Beitrags hoffentlich in Frage gestellt wird) produziert wird und dass es daneben immer mehr Winzer gibt, die versuchen soz. „back to the roots“ zu gehen.

Nature- und Orange-Wines stehen hier an der Spitze der Bewegung.  Das Ganze am besten biologisch produziert. Was das heißt findet Ihr an anderer Stelle des Blogs.

Eines der großen Begriffe ist in den letzten ca. 10 Jahren die „Spontanvergärung“ geworden.

Denn: sog. Reinzuchthefen, wie sie für die Weinproduktion entwickelt worden sind, stehen in der Kritik, die „Wahrhaftigkeit“ des Weins zu verfälschen. Und tatsächlich: Hefen, die für die Transformation des Traubensafts in Wein (Gärung) verantwortlich sind beeinflussen das Endprodukt maßgelblich!

Aber ganz von vorne und zur Erklärung: lässt man den gepressten Traubensaft einfach stehen, so sorgen die natürlich vorhandenen Hefen (die sich v.a. an den Traubenschalen befinden) dafür, dass der Umbau von Zucker in Alkohol stattfindet (= Gärung). Nach Abschluss des Gärvorgangs, bleibt der Wein über einige Zeit halbwegs stabil (ähnlich wie Sauerkraut etc.), was den Wein haltbar macht.

Das Ganze geht also von allein. Allerdings sollte man wissen, dass bei der Gärung ein brutaler Verteilungskampf stattfindet. Alle Inhaltsstoffe im Saft wollen sich am wertvollen Zucker bedienen. Und so gibt es neben den freilich entscheidenden Hefen eine Reihe von Mikroorganismen, die ihren Anteil davon abhaben wollen. Und diese sorgen nicht immer gerade für das beste Aroma im fertigen Wein.

Reinzuchthefen übernehmen dagegen gerade in der ersten Phase der Gärung das Regiment und verdrängen somit die „bösen“ Mikroorganismen, die für Aromen sorgen, die im schlimmsten Fall sog. „Böckser“ (=Fehltöne im Wein) verursachen können.

Die Erfindung der Reinzuchthefen, war insofern durchaus ein großer Wurf in der Weinbereitung. Speziell in der Verbindung mit der Möglichkeit gekühlter Vergärung (Edelstahltanks) führte es zu einer Weinstilistik, die oft an „Eisbonbons“ erinnerte und in der Weinsprache als „dropsig“ bezeichnet wird.  Jedoch wurde jetzt den Winzern klar, dass es wurscht war, ob der Wein in Österreich, Spanien, Chile oder Neuseeland produziert wurde: der Wein schmeckte überall gleich. Speziell im Weißweinbereich: frisch und fruchtig.

Ziel der Winzer war es nun, wieder mehr die Herkunft der Weine in den Fokus zu stellen. Freilich sollte man dazu wissen, dass Winzer wissen, dass nur der verkaufte Wein der gute Wein ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu verstehen, dass gerade in dieser Zeit in Österreich die „DAC-Idee“ forciert worden ist, welche die Herkunft der Weine in den Mittelpunkt stellt.

Und kellertechnisch hat man die Spontangärung als das Stilmittel erkannt, das zu mehr lagenspezifischer Individualität sorgen soll. Denn die Hefen aus dem entsprechenden Weinberg sollten für Individualität und v.a. Authentizität sorgen.

Als Weinhändler und -genießer stelle ich nun fest: die Stilistik im Bereich Qualitätsweinbau ist gerade massiv im Prozess sich zu verändern. Winzer, die auf Spontangärung setzen, machen zwar weniger duftig-fruchtige Weine. Im Geruch z.T. irritierende Eindrücke, fühlen sich diese Weine ruhiger an. Sie erschließen sich v.a. erst auf den zweiten Schluck und bauen eher auf den Gaumeneindruck, den man als cremiger und komplexer bezeichnen könnte. Die Frische erscheint dabei eher auf der Tatsache höherer flüchtiger Säure. Im Verbund von Maischestandzeit können auch Gerüche auftauchen, die eher an Schwefelhölzchen, denn an Frucht a la Pfirsich erinnern. Nach meiner persönlichen Meinung eignen sich diese Weine besser als Essensbegleiter auf hohem Niveau, weil sie sich besser dem Essen unterordnen.

 

Beschäftigt man sich mit dem Thema genauer, lassen sich Gründe sowohl für Reinzuchthefen als auch für die Spontangärung finden. So muss der spontanvergärende Winzer sehr wohl durch Vorklärung, Einsatz von SO2 und Impfung des Mosts durch einen spontanen Gäransatzes dafür sorgen, dass ungeliebt Mikroorganismen das Geschmacksbild des Weins nicht negativ beeinflussen.

 

Befürworter dagegen loben die höhere Komplexität der Weine, die gerade aufgrund des höheren Aromenspektrums gegeben ist. Außerdem widerspiegelt der Wein stärker das Terroir wieder, weil die Hefen des Weinbergs das Aroma des Weins bestimmen.

Wissenschaftlich ist das wiederum nicht unbedingt belegt. Dagegen scheinen die vorhandenen Hefen im Weinkeller nicht unwesentlich an der Aromenbildung beteiligt zu sein. Das scheint mir aus degustatorischer Sicht zutreffend zu sein, weil ich schon seit Jahren behaupte, dass jeder Winzer seinen „Hausg`schmack“ hat; ähnlich, wenn man die Haustüre eines bestimmten Hauses aufmacht und einem ein bestimmter Duft entgegenkommt.

 

Naja, wie auch immer: heute scheint es so zu sein, dass man eine bestimmte Meinung zu einem bestimmten Thema haben muss und sich für die eine oder andere Seite entscheidet und entsprechend dafür argumentiert. In Sachen Spontangärung oder Reinzuchthefen kann ich mich als Weinliebhaber leider nicht entscheiden, sondern nehme einfach alles mit.

Bei den Reinzuchthefen liebe ich die Duftigkeit und Frische, während ich bei den Spontis die Ruhe und Komplexität und v.a. die Affinität zu Speisen schätze. Außerdem scheinen Spontis geschmacklich über Jahre stabil zu sein.

Allerdings: Große Weine erkennt man nur auf die Dauer. Der Wein sollte also auch nach Jahren nicht nur gut schmecken, sondern sogar noch besser sein – ähnlich einer gereiften Persönlichkeit. Das erreicht man nicht einfach damit, dass man sich für Spontangärung oder Reinzuchthefen entscheidet.

Saubere Arbeit im Weinberg, Lesezeitpunkt, Maischestandzeit, Ausbau, Gebinde etc. scheinen mir da z.T. noch wichtiger zu sein.

Aber: entscheidet sich ein Winzer für Spontanvergärung, so sollte er sowohl im Weinberg als auch im Keller sauber arbeiten, sonst geht es schief. Der erhöhte Aufwand manifestiert sich in den entsprechenden Flaschenpreisen. Setzt dagegen ein Winzer auf Reinzuchthefen, dominieren die entsprechenden Aromen die erste Phase des Weins entscheidend. Fehlt dem Wein aber die Substanz, gehen die verführenden Aromen rechts schnell verloren. Große Weine dagegen strahlen auch mit Hilfe von Reinzuchthefen noch über Jahre hinweg.

 

Abschließend lässt sich sagen, dass die „Sponti-Bewegung“ das Aromenspektrum des Weines bereichert. Soll doch jeder selbst entscheiden, was er lieber trinkt. Oder: er trinkt (so wie ich) beides😊