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Rotwein-Stile

Die Rotweintraube ist eine eher sonnenverliebte Pflanze. Von daher kommen die bekanntesten Rotweine tendenziell aus südlicheren Gebieten. Wobei Weinbau prinzipiell nur zwischen dem 40. Und 50. Breitengrad auf der Nordhalbkugel, bzw. zwischen dem 30. Und 40 Breitengrad auf der Südhalbkugel klimatisch möglich ist.

Die Trauben werden durch das mehr an Sonne und Wärme reifer als in nördlicheren Gebieten. Dies führt zu körperreicheren Weinen, die zudem mit reiferen Tanninen, weniger Säure und mehr Alkohol aufwarten. Zudem besteht der Vorteil, dass durch die geringeren Regenmengen die Trauben weniger fäulnisanfällig sind, was v.a. den Bio-Winzern entgegenkommt. Aus meiner Sicht haben „Südgewächse“ auch im preislich günstigeren Bereich Vorteile, da die Weine leichter ausreifen.

Nun könnte man meinen, ich mache Werbung für Weine, die ich gar nicht in meinem Programm habe. Denn Deutschland und Österreich sind nicht zu den Südländern zu zählen. Doch neben der „Regionalität“ und seinen kurzen Wegen, haben sog. „Cool-Climate-Rotweine“ auch gustatorische Stärken:

Ich will dies an einem Vergleich zweier typischer Vertreter des Südens bzw. Nordens beschreiben. Der Primitivo feiert als Sorte gerade im Supermarkt-Bereich seine Hochzeit. Die Sorte verführt mittels intensiven Beerenaromen, samtigen Tanninen und kraftvollem Abgang. Und das oft schon im günstigeren Segment. Der Wein stammt im Wesentlichen aus Apulien („Stiefelabsatz“ Italiens), wo trocken-heißes Klima mit wenig Niederschlag vorherrscht.

Doch was bei den einen Begeisterungsstürme auslöst, gilt v.a. in Wein-Insider-Kreisen als eindimensional, „marmeladig“ überladen und plump.

Sie feiern die Attribute, welcher ein klasse Pinot noir hervorbringen kann. Die Säure wirkt hier animierend und macht Lust auf den nächsten Schluck. Da Gerbstoffe aufgrund der dünnen Haut vergleichsweise wenig vorhanden sind, werden die besten Weine im Barrique-Fass ausgebaut. Aber Vorsicht: das funktioniert wirklich nur bei gut ausgereiftem Traubengut.  Seine Farbe ist hellrot und lässt manchen Weintrinker an der Qualität des Weines zweifeln, weil man meint, die Güte des Weines vom Dunkelgrad des Rots abhängig zu machen. Er präsentiert sich leichtfüßig am Gaumen und punktet doch mit Geschmackstiefe. Die besten sogar mit einer gewissen Fruchtopulenz, die an Himbeeren, Erdbeeren, Rosen mit etwas Zimt erinnern lassen. Der Weinkritiker Bernulf Bruckner spricht von einer „molligen Ballerina“.

Zwischen diesen beiden Polen gibt es eine große Bandbreite von Vertretern beider Lager. So zählt z.B. der australische Shiraz auch zu den marmeladigen Fruchtbomben. Der Amarone ist eigentlich vom Klima her noch nördlich anzusiedeln. Da hilft man sich damit, die gelesenen Trauben noch mal zu trocknen, um den Reifegrad zu erhöhen.

Zu den Cool-Climate-Weinen sind Sorten wie Blaufränkisch, Zweigelt einzuordnen. Aber auch den Nebbiolo (Barolo) würde ich dazuzählen. Und selbst den Sangiovese würde ich aufgrund seiner Säurestruktur eindeutig dieser Kategorie zuordnen, obwohl die Toskana schon recht südlich liegt. Das liegt z.T. auch an den Höhenlagen des Chianti-Classico-Gebietes.

Denn: abgesehen von der Sorte und dem Breitengrad spielt die Höhenlage eine wichtige Rolle. So sind die Syrahs aus dem Südliche Rhonetal eindeutige Südgewächse, während die Stilistik im nördlichen (gar nicht soweit entfernt) gelegenen Hermitage kühle Aromen mitbringen.

Zum Anspruch ambitionierten Weinbaus gehört es, das sog. Terroir abzubilden. Ich kenne eine Reihe v.a. österreichischer Winzer, die fast schon südländische Weine produzieren. V.a. im Gebiet Neusiedlersee ist dies auch möglich. Die meisten Top-Winzer fokussieren sich jedoch seit Jahren auf die Finesse. Es ist also kein Zufall, dass Top-Winzer aus dem östlichen Teil des Neusiedlersees (z.B. Gols), Weinberge aus dem Leithagebirge gekauft haben. Außerdem wurden im Premium-Bereich die Weine aus Cabernet Sauvignon und Merlot v.a. durch den heimischen Blaufränkisch abgelöst. Und das mit großem Erfolg. Hat doch kürzlich ein Panel aus internationalem Fachpublikum dieser Sorte attestiert, dass sie zu den großen Rotweinsorten der Welt zählt.

 

Ob nun „warme Badewanne“ oder „anregende Dusche“, perlenbestickte Abendrobe oder „kleines Schwarzes“: Möge jeder selbst entscheiden, was er lieber trinkt. Ihr könnt Euch wohl vorstellen, wohin meine Tendenz geht. Und da es nun mal „Wagners Weine“ heißt, steht für mich die Finesse bei den Rotweinen an oberster Stelle.